20 Jahre Hubschraubergestützte Wasserrettung
Nach Elbhochwasser und Starkregen in den vergangenen Ausgaben stellt Thomas Büchner als Abschluss der Hochwasser-Serie in der AQUA die Hubschraubergestützte Wasserrettung (HgWR) vor.
An Pfingsten 1999 lassen starke Regenfälle in den Alpen und im Alpenvorland die umliegenden Flüsse über ihre Ufer treten. 40.000 Hektar Land werden dabei überschwemmt, etwa 1000 Menschen müssen evakuiert werden, fünf Menschen sterben. Das Elbhochwasser drei Jahre später ist noch verheerender. Die Wasserwacht ruft daraufhin die Hubschraubergestützte Wasserret tung ins Leben. Im Jahr 2003 wird die HgWR in Abstimmung mit der Landesleitung durch die Kreiswasserwachten Bad Tölz, Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen entwickelt. In Zusammenarbeit mit dem Luft transportgeschwader 61 der Bundeswehr werden in einem sechsmonatigen Projekt Verfahren und Einsatztaktiken entwickelt, die es ermöglichen, in Hochwassergebieten Personen nach einheitlichen Verfahren zu versorgen, zu evakuieren und zu ret ten. Im Zuge der Ausbildung ist die Polizeihubschrauberstaffel Bayern in die Verfahren eingewiesen. Sie ist seitdem fester Bestandteil in Ausbildung und Einsatz. Mit der Erweiterung um die Hubschrau- ber der Bundespolizei wird das Konzept auf ganz Deutschland ausgeweitet. 2005 folgt die deutschlandweite Einführung in allen DRK-Wasserwachten. 2006 übernehmen schließlich auch DLRG und Feuerwehr unter Leitung der Wasserwacht die Hubschraubergestützte Wasserrettung. Im Jahr 2023 feiern wir das zwanzigjährige Bestehen der Hubschraubergestützten Wasserrettung in der Wasserwacht – ein wahrlich erfolgreiches Projekt.
In ganz Deutschland versehen heute über 100 Air Rescue Specialists (ARS) an sechs Standorten ihren ehrenamtlichen Dienst. Bei den Hochwassern 2005, 2010, 2013 und 2021 kamen sie deutschlandweit zum Einsatz. Allein in 2013 waren 49 Luftretter an 13 Einsatzorten in Deutschland 17 Tage im Einsatz. Dabei absolvierten sie 86 Winschvorgänge und führten sechs Rettungen mit zwei erfolgreichen Reanimationen und 278 Evakuierungen durch. Eindrucksvolle Beispiele waren die nächtlichen Evakuierungen in Fischerdorf und die Sicherung des Trinkwasserversorgungssystems der Stadt Passau. Der 18-tägige Ausnahmezustand war die bisher größte Herausforderung seit der Gründung.
Aufgaben und Einsatz
Die ARS sind primär für die Versorgung und Evakuierung von in Überschwemmungsgebieten eingeschlossenen Personen, die Rettung aus stehenden und fließenden Gewässern sowie die medizinische Erstversorgung zuständig. Als Katastrophenschutzeinheit arbeitet die HgWR eng mit den Hubschrauberstaffeln der Bundespolizei zusammen. Bei Rettungen kommtein Hubschrauber mit Winde zum Einsatz, der in der Regel von der Bundespolizei gestellt wird. Nachdem der Luftret ter an einem Stahlseil hinabgelassen wurde, kann er das Opfer mithilfe einer Rettungsschlinge sichernund beide werden im Anschluss in den Hubschrauber hinaufgezogen. Im Notfall lassen sich je nach Hubschraubertyp gleichzeitig bis zu 15 Flutopfer im Hubschrauber transportieren.
Ausbildung
Nach dem deutschlandweit standardisierten Konzept setzt der Einsatz als Luftret ter eine Ausbildung zur Wasserrettung voraus inklusive sanitätsdienstlicher Ausbildung. Um die Zusatzqualifikation als Luftrettung zu erlangen, müssen die Anwärter die Ausbildung zur Fließwasserrettung, eine Grundausbildung am Hubschrauber mit Absturzsicherung sowie Lehrgänge zur Evakuierung aus Hochwassergebieten, zu Crew Resource Management und zum Umgang mit Betroffenen in Extremsituationen durchlaufen.
Organisation
Deutschlandweit gibt es insgesamt sechs Luftret tungsgruppen. Die Standorte Oberschleißheim, Bad Bramstedt, Gifhorn, Fuldatal, Blumberg und Hangelar sind an die jeweiligen Hubschrauberstandorte der Bundespolizeifliegerstaffeln angegliedert. Standortkoordinatoren halten den Kontakt zwischen der Bundespolizei und den verschiedenen Hilfsorganisationen. Die Rettungsgruppen können sowohl im gesamten Bundesgebiet als auch im nahen Ausland Einsätze fliegen. Der hohe Standardisierungsgrad ermöglicht dabei eine konstruktive Zusammenarbeit. Vor allem aber sind es die vielen ehrenamtlichen Helfer*innen, die durch ihr Engagement und ihren tatkräftigen Einsatz die effektive Arbeit der HgWR ermöglichen.