Eisrettung
Raureif überzieht die Pflanzen, Schneeflocken rieseln vom Himmel, eine glitzernde Eisschicht überzieht die bayerischen Seen.
Zugegebenermaßen kam das in den letzten Jahren im Freistaat nicht allzu häufig vor, aber gerade im Oberland und im Alpenvorland frieren die Seen im Winter teilweise zu. Für die Kreiswasserwacht Garmisch-Partenkirchen beispielsweise verteilen sich die Einsätze auf dem Eis auf den Staffelsee, den Eibsee und den Lautersee. „Im Jahr 2022 mussten unsere Schnelleinsatzgruppen zu fünf Eisunfällen ausrücken und im Jahr 2023 bereits vier Mal“, berichtet Sandro Leitner, der Technische Leiter der Kreiswasserwacht Garmisch-Partenkirchen. Dabei gehen die Einsatzkräfte häufig mit Eisrettungsschlit ten vor, die in verschiedenen Ausführungen auch Vor- und Nachteile mit sich bringen. Grundsätzlich ist das bei den Schlitten eine Abwägungssache: Er sollte stabil, aber nicht zu schwer sein und gleichzeitig Einsatzkraft und Patient tragen können, ohne einzubrechen. Im kalten Wasser zählen Minuten, dann muss es schnell gehen und der Eisrettungsschlit ten muss rasch vorwärtskommen – ein Balanceakt, denn auf dem Eis muss jeder Schritt klug gewählt sein. Die meisten Geräte sind alle für eine Nahbereichsret tung ausgelegt.
„Die Praxis zeigt jedoch, dass die Menschen sich quer über den See bewegen, und bei großen Seen ist das eine Herausforderung. Des Weiteren sind wir auch zuständig, sobald sich ein Unfall auf dem Eis ereignet, zum Beispiel bei einem Schlittschuhläufer oder Spaziergänger mit Oberschenkelhalsfraktur“, erklärt Sandro Leitner die Problematik. Ein schneller Patiententransport mit dem Eisrettungsschlitten ist dann nicht möglich – hier sind die Einsatzkräfte der Wasserwacht am Eibsee gerne mal 1,5 Stunden unterwegs. „Das ist im Jahr 2023 und einem mittlerweile sehr modernen Wasserrettungsdienst nicht mehr zeitgemäß. Hier wären motorisierte Geräte angebracht, wie etwa ein Luftkissenboot, das leicht und schnell über das Eis gleiten kann“, so Leitner.
Noch besser: erst gar keinen Einsatz verursachen und sich gut überlegen, ob man das Eis betreten sollte. Nicht quer über den See laufen und Stellen meiden, die komplett in der Sonne liegen. Besonders nach wochenlangem Tauwetter oder bei nur sehr dünnen Eisschichten gilt: Eisflächen nicht betreten. Und auch wenn das Eis dick genug erscheint, so ist es nicht an allen Stellen gleich stark. Bodenwärme, Strömungen oder Zuflüsse warmer Industriegewässer lassen die Stärke der Eisdecke schwanken. Eisflächen werden von den Behörden vor Ort freigegeben und auch dann sollte man nicht leichtfertig auf die zugefrorenen Seen gehen. Sandro Leitner bekräftigt: „Alle Eisunfälle wären mit gesundem Menschenverstand vermeidbar gewesen.“ Bemerkt man dennoch eine ins Eis eingebrochene Person, sollte man sofort den Notruf 112 wählen und damit die nötigen Rettungskräfte verständigen.
In der Wasserwacht Bayern benötigen alle Einsatzkräfte, die bei Eisrettungen involviert sind, die Grundausbildung für den Wasserrettungsdienst. Hinzukommen Zusatzausbildungen für diesen Spezialbereich. Bei Sandro Leitner gibt es jeden Winter einen Eisrettungs-Refresher-Kurs: „Ein Abend ist den theoretischen Inhalten gewidmet und ein Praxistag den schwierigen Eisverhältnissen. Dafür müssen die Gegebenheiten natürlich stimmen. Das Eis sollte keine 15 Zentimeter dick sein, denn dann bricht auch keiner ein und wir können nicht realistisch üben.“
Ein Einsatz ist Leitner bis heute im Gedächtnis geblieben. In einer kalten Winternacht wurde die Wasserwacht an den Eibsee alarmiert. „Vom Hotel aus wurden Hilferufe gehört und es wurde vermutet, dass jemand eingebrochen ist. Es gab diverse Eislöcher und Spuren im Schnee“, erzählt er. So begann die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. „Wir suchten in der Nacht bei -15 Grad Celsius und Schneefall den kompletten See ab. Sechs Schnelleinsatzgruppen der Wasserrettung, zwei Ortsfeuerwehren, die Unterstützungsgruppe Sanitätseinsatzleitung, drei Rettungswagen, die Bergwacht, Drohnen sowie ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera waren im Einsatz. Am Ende des Tages konnten wir niemanden finden, aber das war der größte Eisrettungseinsatz, den ich bisher erlebt habe.“ Auf dass es diesen Winter ruhig bleibt, wenn der Schnee fällt und das Eis gefriert.