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Das Wasser lesen können

Geschrieben am 28. September 2023.

Bei der Wasserwacht Bayern sind von 75.000 Mitgliedern 702 Fließwasserretter*innen, eine Spezialausbildung der Wasserrettung. Andreas Baumgartner ist Ausbilder für diesen Bereich und Mitglied der Wasserwacht-Ortsgruppe Buchloe. Sein Einsatz- und Trainingsschwerpunkt ist der Lech im Bereich Landsberg in Oberbayern.

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Was begeistert dich an der Fließwasserrettung?
Ich bin fasziniert von starkströmenden Gewässern und davon, Einsatzlagen dort als Teamaufgabe zu bewältigen. Gegen die massiven Kräfte des Wassers zu arbeiten, macht keinen Sinn, aber man kann es für sich nutzen.

Seit wann gibt es die Ausbildung Fließwasserrettung?
Die Ausbildung Fließwasserrettung gibt es in der heutigen Form seit 2012. Aber die Wasserwacht Bayern hat  sich schon weit davor mit dem Thema beschäftigt. Seit 2002 ist die Basisausbildung Fließwasserrettung Teil der Wasserretter-Ausbildung. Wenn man über den Tellerrand hinausblickt, z. B. nach Amerika, sieht man, dass dort seit 1979 Fließwasser-Konzepte genutzt werden. Die Wasserwacht Bayern hat ihre Ausbildungsrichtlinien an diesen internationalen Standards von „Rescue 3 International“ ausgerichtet.

Welche Voraussetzungen muss ich mitbringen?
Du musst eine Wasserretter-Ausbildung haben und eine gute körperliche Fitness mitbringen, besonders Ausdauer ist wichtig. Der Lehrgang geht über drei Tage und besteht überwiegend aus Praxisanteilen im  fließenden Gewässer. Die Theorie erfolgt vorab durch eLearning und einen Wissenstest. Wir vermitteln alle Inhalte in der Praxis und wollen die Zeit für Übungen und Erfahrungen sinnvoll nutzen. Ein gutes Urteilsvermögen erlange ich nur durch Üben. Ich muss das Wasser lesen können, Strömungen und Gefahren einschätzen können.

Was müssen Fließwasserretter*innen im Einsatz leisten?
Durch ein standardisiertes Vorgehen können wir auf unterschiedliche Einsatzlagen zielgerichtet reagieren.  Die Einsatzkräfte machen dann zunächst eine Gefahrenanalyse – auch hier ist Erfahrung das A und O, um  auch sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Wir gehen nach dem sogenannten LAST-Schema vor. Lokalisieren steht an erster Stelle. Anschließend geht es darum, wie wir zu der Person gelangen können (engl. „Access“).  Wenn wir die Person erreicht haben, sichern und stabilisieren wir sie – in welcher Form das eben nötig ist. Als nächster Punkt steht der Transport aus dem Gefahrenbereich an. Die Rettung kann mittels  Schleifkorbtrage, Seilsicherung oder via Raft erfolgen. Bei der Wahl der Ret tungstechnik gehen wir immer vom niedrigen zum hohen Risiko. Es gibt Situationen, wo nur eine Kontaktrettung durch Schwimmen infrage
kommt. Nach der Rettung an Land übernehmen die Fließwasserretter*innen die medizinische Erstversorgung und Betreuung bis zur Übergabe an den Landrettungsdienst. Dies ist bereits Bestandteil der Wasserretter-Ausbildung.

Das klingt sehr anspruchsvoll – anspruchsvoller als eine Rettung auf einem See?
Das würde ich nicht sagen, ein Sturm auf einem See ist genauso anspruchsvoll, denn auch hier wirken  Strömungen, Wellen und Winde. Die Fließwasserrettung ist ein Spezialbereich, der durch Starkregen und Hochwasser an Bedeutung gewinnt. In Bayern haben wir durch die vielen Flüsse und Bäche ein hohes Potenzial und die letzten Jahre haben uns gelehrt, dass uns solche Ereignisse überall tref fen können.

Deine wichtigsten Tipps für Freizeitaktivitäten in Flüssen?
Schwimmfähigkeit ist eine Grundvoraussetzung, ebenso wie das Tragen von Schwimmwesten. Erkundige dich vorab nach möglichen Gefahrenstellen auf deiner Strecke und behalte den Wetterbericht im Auge.  Sorge für einen angemessenen Kälteschutz durch Neoprenkleidung. Ganz wichtig: Nie allein lospaddeln und Freunden oder Familie Bescheid geben, wo ihr euch aufhalten werdet.